Der Norden Laos so gleich und doch so ganz anders, wie das uns nun bekannte Thailand. Kinder auf Fahrrädern mit bunten Regenschirmen, weniger Verkehr, Menschen die ihren Weg zu Fuß zurück legen, weniger Garküchen, allgemein weniger Menschen, eine Menge Beerlao, Sticky Reis, Baguette und vielem mehr. Ganz neue Eindrücke und Erlebnisse erwarten uns auf unseren ersten Kilometern in Laos, von Houay Xai nach Pakbeng. (geschrieben von Jelena)
Meine Beine sind schwer, die Lust nicht all zu groß. Wir sind gerade erst aufgebrochen. Gerade hatten wir noch hoch oben gefrühstückt mit einem wunderschönen Ausblick auf die Berge und die aufgehende Sonne. Bananenbrötchen und Kekse, mehr gab das letzte Dorf gestern Abend leider nicht mehr her. Aber all zu wählerisch sollte man auf so einer Reise sowieso nicht sein. Und wie jeden Tag sind wir nach einem Kaffee, noch leicht müde, wieder auf das Fahrrad gestiegen. Doch heute habe ich wenig Lust mich die Berge hinauf zu quälen. Erst gestern haben wir 70 km unter unsere Räder gebracht. Durch das bergige und mit teils unglaublich steilen Anstiegen versehene nordwestliche Laos. Wunderschön, abgelegen und landschaftlich ein Traum, doch der Tod für die Oberschenkel eines Radreisenden. Im kleinsten Gang kurbel ich also heute wieder den nächsten Berg hoch. Ein Tempo bei dem man sich gut Gedanken machen kann. So denke ich über die letzten Tage nach. Also mal von Anfang an.
Von unserer kleinen Unterkunft in Thailand radeln wir erwartungsvoll in Richtung Grenze. Wie fast immer Mirco voraus, ich im Windschatten hinterher. Nur wenige flache Kilometer bis zur Kontrollstation und schon kommen uns zwei Radreisende auf der anderen Seite entgegen. An der Grenze anfangs etwas verwirrt, finden wir doch schnell heraus, wir müssen auf den Bus umsteigen (240 Baht). Eigenständiges Überqueren der Mekong Brücke nach Laos, NICHT gestattet. Wir versuchen uns nicht zu sehr zu ärgern, hilft ja doch nichts. Im Nachhinein wäre die einfachste und billigste Möglichkeit gewesen per Anhalter über die Brücke zu fahren. Die Einreise verläuft problemlos und schnell sind wir zum ersten Mal in unserem Leben in Laos.
Kaum auf der anderen Seite kommt bei mir der Hunger zurück. Und klar Mirco geht es genauso. Also ab in Richtung Stadt. Erstmal müssen laotische Kip organisiert werden. Ohne Geld kommt man nirgends weit. Vor allem nicht mit Hunger. Schnell sind wir in der Stadt angekommen. Der erste Geldautomat macht Mirco aber gleich einen Strich durch die Rechnung - Automat leer. Am zweiten schaut es dann aber zum Glück wieder besser aus. Und wir können direkt am angrenzenden Markt auf Futtersuche gehen. Ich freue mich schon. Endlich wieder ein Essensmarkt. Endlich wieder neue Eindrücke. Irgendwie kaum über dem Fluss, schaut alles doch etwas anders aus. Und so entscheidet sich Mirco für eine Tüte weißer Nudeln, einem 'Pack Irgendwas eingepackt in Bananenblätter' und wie soll es auch sein zwei seiner geliebten Ananas. Etwas abseits lassen wir uns unseren Fang schmecken und beobachten begeistert die unzähligen Kinder, die mit dem Fahrrad an uns vorbeifahren. Gekonnt hält das hintere Kind den Regenschirm über das Gesicht des Fahrers. Braun werden, nicht erwünscht in Asien. Das Einkaufen in Laos müssen wir aber wohl noch lernen. So stellt sich unser 'Pack-Irgendwas' leider für uns als ungenießbar heraus. Und wird direkt als Hundefutter wieder in die Taschen gepackt. Und weiter geht es wieder auf unseren Track entlang des Mekongs in Richtung Süden. Die anfangs gut geteerte Straße verwandelte sich schnell in eine staubige, holprige Piste aus rotem Staub bestückt mit handgroßen Steinen. Immer wieder wirbeln vorbeifahrende Fahrzeuge den feinen Staub auf und vernebeln uns die Sicht. Das ganze erinnert uns doch etwas an Australien. Die Sonne brennt mittlerweile auch unbarmherzig. So sind wir mehr als dankbar unsere Flaschen an einer Tankstelle umsonst auffüllen zu dürfen. Nett sind sie auf jeden Fall die Laoten. Durch Bananenplantagen und kleinen Dörfern wird der Trubel auch langsam weniger und die Straße kleiner, Staub und Steine bleiben.
Irgendwann beschliessen wir dann uns etwas abseits des Weges einen Zeltplatz am Mekong zu suchen. Und gefunden war einer der schönsten Übernachtungsplätze. Auf einem grünen flachen Stück, versteckt unter ein paar Büschen, lassen wir uns nieder. Mirco und ich fühlen uns sicher und so stört es uns auch nicht, dass ein einheimischer Bauer seine drei Wasserbüffel an unserem Zelt vorbei treibt. Ich habe mich sofort in den Mekong verliebt. Trotz Trockenzeit spürt man seine Macht, irgendwie verbreiten die Massen an fließendem Wasser eine besondere Stimmung. Schockiert bin ich trotzdem von dem vielen Plastik das sich in den Bäumen am Ufer festhängt. Nach einer ruhigen Nacht liegen wir früh noch auf unseren Matten als ein freundliches 'Hello' ins Zelt dringt. Ein einheimischer Fischer auf dem Weg zum Wasser. Kurze Zeit später, als wir gerade dabei sind zu frühstücken und unseren allmorgendlichen Kaffee genießen, kommt der Mann zurück. In seinen Händen eine Fischfalleaus Rattan. Stolz erklärt er mir wie das handgebastelte Ding funktioniert und ist sichtlich zufrieden das Mirco interessiert Bilder knippst.
Weiter geht es wieder über die holprige Straße. Durch kleine Dörfer und hügeliges Land. Immer wieder hören wir 'Falang Falang', wir scheinen auf jeden Fall Aufmerksamkeit zu erregen. In einem Dorf kaufen wir eine ganze Familienpackung Kekse. Ich versuche immer möglich genug zu Essen dabei zu haben um mindestens einen Tag nicht hungern zu müssen. Die Karten die Mirco vor unserer Reise besorgt haben scheinen nicht unbedingt auf dem neusten Stand zu sein. Und so weiß keiner was uns wirklich erwartet und einen Hungerast in Mitten von nichts wäre fatal. An einer kleinen Kurve entlang des Wegs beschließt Mirco kurz anzuhalten - Pinkelpause. Ich war erst, also beschließe ich weiter zu kurbeln. Über den nächsten Hügel. Oben angekommen finde ich ein kleines Dorf. Um die Zeit bis Mirco wieder zu mir aufschließt zu überbrücken beschließe ich drei kleinen, äusserst süßen Babyschweinen unser 'Pack Irgendwas in Bananeblatt' zu schenken. Wer hätte ahnen können das dies in einer kleinen Dorfversammlung enden würde. Aus der nahegelegenen Schule kommen plötzlich Kinder auf mich zugerannt. Mirco im Vordergrund. Hätte ich eine Kamera in der Hand gehabt - das wäre das Photo des Monats geworden.
Als nächstes stand für uns die Querung des Mekongs an. Eine kleine Fähre brachte uns für den Touristenpreis (20.000 kip) ans andere Ufer. Dort kauften wir erstmal Wasser und wieder der Touristenpreis (24.000 kip). Das musste wohl an der geteerten Straße liegen die in das Dorf führt. Nach einigen welligen Kilometern verlassen wir aber diese Hauptstraße wieder und finden uns auf einem kleinen Schotterweg wieder. Genug für heute. Mirco und ich sind platt. Und zum Glück finden wir schnell unter einem Bambusgebüsch an einen kleinen Flussufer einen Unterschlupf.
Am nächsten Tag führt uns der kleine geschotterte Weg mitten durch die hügelige Landschaft hinauf auf höher gelegene Pfade. Abgelegen und schwer befahrbar ist zu unser Verwunderung doch einiges los. Überall am Wegrand arbeiten die Menschen hart auf ihren Feldern. Es ist nicht Mircos Tag und so jammert er mich seit unserem Start in der früh voll. Er träumt von deutschem Essen und einer Pause vom Radfahren. Ich genieße währenddessen die wunderschöne Landschaft und versuche ihn mit Schokokeksen und sinnlosem Gerede abzulenken. Mehr oder weniger klappt das und wir kommen oben an und rollen auf der anderen Seite wieder im Schritttempo bergab. Die Beschaffenheit der Wege macht ein schnelles Vorankommen oder einige geschenkte Meter bergab unmöglich. Erschöpft und in der Hoffnung auf eine bessere Straße halten wir im nächst größeren Dorf um unser Proviant um weitere Instant Nudeln zu erweitern. Prompt werden wir vom Ladenbesitzer zu seinem Mittagessen Sticky Reis mit Laab eingeladen. Mirco Laune steigt wieder mit dem vollem Bauch und einem neuem Lieblings-Essen - Sticky Reis. Essen hilft doch immer. Und was für nette Menschen, keinen Cent dürfen wir ihnen dafür geben, im Gegenteil, er schenkt uns sogar noch eine Packung Instantnudeln obendrauf.
Der auf unsere Karte eingezeichnete Highway stellt sich auf den folgenden Metern als dürftige Schotterpiste dar. Wieder keinen Meter bekommen wir heute geschenkt. Bald darauf finden wir aber einen Schlafplatz an einem Stausee. Geschafft genießen wir den Abend und gehen bald ins Bett. Etwas wundern wir uns aber beide über die laute, teils westliche Musik aus der Ferne. Musik hört man hier an allen Enden aber das klingt irgendwie anders. Wir schlafen trotzdem bald tief und fest.
Am morgen Frühstücken wir wie so oft eine Packung Kekse und Kaffee und machen uns auf den Weg. Schon auf den ersten Kilometer fällt uns auf, dass ungewöhnlich viele Menschen auf der Straße unterwegs sind. Rausgeputzt in ihren besten Klamotten scheinen sie alle ein Ziel zu haben. Die Straße in das nächste Dorf ist zu unserer Überraschung auch wirklich gut fahrbar und geteert. Bald wissen wir auch was wo all die Menschen hin wollten. In Xianghon, der nächsten Kleinstadt finden wir ein großes Volksfest. Es riecht nur so von frisch Gegrilltem, süßen Ständen und frischem Obst. An jeder Ecke ist ein neuer Stand und alles scheint sich um einen kleinen See zu reihen. Mirco und ich steigen vom Rad und laufen unter neugierigen Blicken durch das Gelände. Touristen gibt es hier keine und so fallen wir mal wieder auf. Die Einheimischen traditionell bis modern westlich gekleidet sind in Festtagsstimmung. Jeder zeigt was er hat. Jedoch muss ich wirklich sagen, hier merkt man schon einen großen Unterschied zur reicheren Gesellschaft in Thailand. Wir drehen eine Runde um den See um alles zu begutachten. Auf dem See findet gerade ein Drachenbootrennen statt. Mädchen aus allen Ecken des Landes und auch aus Thailand kämpfen hier um die Krone. Die Jungs, erfahren wir später, sollten am nächsten Tag starten. Nach einer Runde lassen wir uns unter einem Baum nieder, um das Getümmel in Ruhe beobachten zu können. Es dauert nicht lange und Mirco wird angesprochen. In Laos scheinen die Rollenverteilungen noch etwas traditioneller gehandhabt zu werden, so gibt mir hier als Frau selten jemand die Hand. 'Drink Beer' heißt es. Ein netter junger Mann der kurz vorher an uns vorbei gelaufen ist möchte das wir mit ihm und seiner Familie ein Bier trinken. Lange lassen wir uns nicht bitten und ich lasse mich neben Mirco auf der ausgebreiteten Matte nieder. Freundlich und neugierig schaut uns die Familie von 'Seppou' an und laden uns ein von ihrem Essen zu nehmen. Gegessen wird hier gemeinsam von einer Platte. Jeder greift zu. Mit den Fingern natürlich. Salatblatt plus Reisnudeln, einer nussigen Soße und frierten Maden sind hier ein guter Snack. Es dauert nicht lange haben wir auch schon das erste Bier in der Hand. Und es folgen mehr. Es scheint fast so als wollten die Laoten testen ob wir auch trinken können. Seppous Mutter fordert mich immer wieder auf mit ihr anzustoßen und (aus) zu trinken. Mirco wird von den Männer ermuntert. Ein paar Stunden darauf sitzen wir noch immer am selben Platz. Immer mehr Bier und Essen wird herangetragen. Mircos Versuch einen bereits bereitstehenden Kasten abzukaufen, endet nur in einem neuen Kasten Beerlao. Und so verbringen wir unverhofft den ganzen Tag mit der Familie, ohne dass wir ein einziges wirkliches Wort gewechselt haben. Da wie so oft niemand auch nur so viel Englisch spricht, dass es für eine Konversation ausgereicht hätte. "Drink beer! Eat!" - sind die einzigen Worte die wir alle paar Minuten zu hören bekommen. Eine willkommene Abwechslung zu Instantnudeln und Keksen! Als die Familie aufbricht, gibt es noch einige Verwirrung zu unserem Schlafplatz. Zunächst gingen wir davon aus bei Seppou irgendwo unterzukommen. Das wurde uns aber von einigen anwesenden (und Bier trinkenden) Polizisten verwährt. Dann heißt es wir könnten vor Ort im Zelt übernachten, was aber schnell wieder revidiert wird ("Safety!"). Wir sollten also zur Nahe gelegenen Polizei Station fahren und dort nächtigen. Letztlich ist dann noch der Englisch Lehrer der Stadt aufgetaucht. Wir verabschieden uns von Seppou und seiner Familie, verabreden uns für den nächsten Morgen und folgen dem Englischlehrer zu seinem Haus. Er war einer der Einzigen der zumindest ein paar Worte Englisch konnte. Dort können wir laut seiner Aussage die Nacht bleiben und auch die Polizei ist einverstanden. Leider stellt sich heraus dass sein Haus keine 50m von der Bühne entfernt lag. Nachdem wir in der vergangenen Nacht die Musik noch über 5km entfernt deutlich hörten, wird uns schnell klar wir würden kein Auge zu machen. So beschließen wir uns auf wieder auf den Weg zu machen und lieber abseits in Ruhe unser Zelt aufzuschlagen. Gesagt getan. Unter dem Vorwand spazieren zu gehen, schlendern wir übers Gelände, nur um auf dem Weg noch schnell Proviant, darunter Mircos heilige Sticky-Reis-Röllchen, für den nächsten Tag zu besorgen und uns dann in den Sattel zu schwingen. Vorbei an den Polizisten kurbeln wir aus der Stadt und finden nicht weit ausserhalb neben einem Tempel unter Bambusbüschen einen versteckten Platz für unser Zelt. Die Nacht wird Dank leichten Beerlao Nachwehen und Hundegebell eher unruhig. Was für ein verrückter Tag. Insgesamt sind wir heute knappe 8 km weit gekommen und haben doch wahnsinnig viel erlebt.
Eine Kurbelumdrehung nach der anderen. Ich arbeite mich immer noch langsam den Berg hinauf und muss schmunzeln wenn ich an all die letzten Erlebnisse denke. Knappe fünf Tage sind wir jetzt in Laos und haben schon so viel erlebt. Manchmal frage ich mich wieso wir uns das mit dem schweren Rad und Zelt antun. Wir hätten wie alle anderen Touristen auch das Slow boat von der Grenze auf dem Mekong in zwei Tagen nach Luang Prabang nehmen können. Stattdessen schinden wir uns 5 Tage lang über übelste Schotterpisten bei Keksen und Instandnudeln und sind gerade mal bei der Hälfte der Strecke. Aber nach so einer Zeit weiß ich wieder genau wieso. Diese 5 Tage nimmt uns keiner mehr. 5 Tage voller faszinierender Einblicke in das Leben der Einheimischen und ein Laos, wie es eben die meisten Touristen auf den Slow boats nicht zu sehen bekommen. Was die dafür zu sehen bekommen, davon sollten wir bald einen guten Vorgeschmack bekommen.
Ich bin oben angekommen. Die nächsten Kilometer sind quasi geschenkt. Leicht wellig oder bergab rollen wir nach Pakbeng. Einem kleinen Durchgangsort für alle Reisenden die mit dem Boot auf dem Mekong unterwegs sind. Ausgestorben am Tag und lebendig am Abend wenn die Boote anlegen und hunderte Touristen in die Gassen spülen um sie am nächsten Morgen wieder einzusammeln und weiter Richtung Luang Prabang zu schippern. Und zu Mircos Freude gibt es Baguttes an jeder Ecke. Geschuldet ist dies wohl den Franzosen die noch bis in die 70er Jahre größeren Einfluss in Laos hatten. Wir finden eine billige Unterkunft mit Flussblick (Phoy Lantha Gh., 60.000 Kip). Ansonsten sind die Preise im Schnitt mindestens doppelt so hoch wie auf unserem Weg bisher. Dass die Boote jeden Tag neue Touristen anspülen, haben sich die Einheimischen hier, wer soll es ihnen verdenken, zu nutzen gemacht.
Wir kommen allerdings erst gegen 11 Uhr an, als alle Touristen schon wieder verschwunden sind und so präsentiert sich uns der Ort ruhig, fast verlassen. Der perfekte Ort für uns und etwas Erholung und Ruhe. Die Elefanten am gegenüberliegenden Ufer sind ein echtes Highlight. Wir beschließen sofort zwei Nächte hier zu bleiben. Uns gefällt es hier sehr gut, vor allem da die Einheimischen an Farangs gewöhnt sind und wir so tagsüber vollkommen unsere Ruhe haben - ein Novum bisher in Südostasien.
Na gut... nicht ganz: Eine kleine Rasselbande aus einheimischen Jungs sammelt uns erst ein paar Äpfel und stibitzt am Ende sogar eine Papaya von irgendeinem Baum nur um sie mit uns zu teilen. Als ein älterer Einheimischer vorbei marschiert und die Jungs ihre Rüge erhalten, schauen wir lieber ganz unschuldig drein.
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