Wir fahren mit dem Fahrrad durch einen Teil des Irans, von Sarakhs an der Grenze zu Turkmenistans bis kurz vor Teheran. Ein Land voller Gegensätze. Endlich verläuft unsere Reise wieder wie geplant. Die Gastfreundschaft der Iraner ist unglaublich herzlich und bringt uns jeden Tag aufs neue zum Staunen. Ein Land in das wir sicher wieder zurück kommen werden. (geschrieben von Jelena)
Turkmenistan liegt endgültig hinter uns und es fällt uns ein großer Stein vom Herzen. So macht es uns auch wenig aus, dass der Grenzübergang auf der iranischen Seite etwas länger dauert wie erwartet. Über eine Stunde warten wir bis das Betriebssystem der iranischen Beamten seinen Streik beendet und rollen endlich in das Land auf das wir uns schon seit Monaten freuen. Von unglaublicher Gastfreundschaft war so oft die Rede, in jeglichen Reiseberichten die wir über dieses Land schon gelesen haben, im Gegensatz dazu bekommen wir schon vor Einreise unzählige besorgte Nachrichten von zuhause. Von allem wollen wir uns ein eigenes Bild machen.
Wieder ein neues Land mit neuer Kultur und neuen Gesetzen, wieder müssen wir uns auf alles neu einstellen, was diesmal vor allem für mich große Auswirkungen hat. So habe ich noch vor dem Grenzübergang, in der Toilette des turkmenischen Zolls, meine Klamotten getauscht und bin ab jetzt gesetzlich dazu verpflichtet lange Hose, ein langes Oberteil, das nicht nur meine Arme sondern auch den Po bedeckt, und ein Hijab, das iranische Kopftuch, zu tragen. Gleich an den ersten Tagen werde ich merken was dies für mich auf dem Fahrrad bedeutet. Kaum im Land fallen uns gleich die schwarzen islamischen Flaggen und die vielen Frauen, die komplett in schwraz gehüllt sind ins Auge. Klar ein wenig einschüchternd ist das schon, dafür werden wir von allen Seiten unglaublich nett empfangen und angesprochen. Was natürlich auch zu jedem Grenzübergang dazu gehört ist die neue Währung. So fahren wir erst einmal zur nächstgelegenen Bank. Im Iran ist es für Ausländer nicht möglich Geld am Automaten abzuheben oder gar mit Kreditkarte zu zahlen, internationale Sanktionen machen das unmöglich. Jeden Cent den man während seines Aufenthaltes benötigen wird muss man bar mit sich in das Land einführen. Noch vor ein paar Monaten gab es am Schwarzmarkt einen in etwa dreimal so hohen Wechselkurs wie in den offiziellen Banken. Dies, hatten wir gehört, habe sich jedoch auch geändert und wir versuchen erst einmal unsere US Dollar in einer Bank zu wechseln. War wohl nichts, Gesetze und die allgemeine Währungspolitik im Land sind scheinbar so kurzlebig, dass uns keine einzige Bank in der Stadt Geld wechseln möchte. Dafür bekommen wir den Tipp direkt an der Grenze könnten wir am Schwarzmarkt unsere Rial bekommen.
Es ist unbarmherzig heiß als wir die Stadt am Nachmittag verlassen, so legen wir direkt nach ein paar Kilometern eine Pause ein und verstecken uns im Schatten einiger Bäume. Meine langen Klamotten und das Kopftuch kleben triefend nass an meinem Körper, abnehmen darf ich es aber trotzdem nicht. Na das kann ja noch was werden. Später rollen wir weiter durch eine kleine Stadt, in der wir noch unsere Vorräte aufstocken, und beschließen kurz danach mitten in der sandigen Wüste unser Nachtlager aufzubauen.
Stürmischer Wind peitscht uns in der Früh die Sandkörner um die Nase. Im Schritttempo bewegen wir uns Richtung Berge, wir verabschieden uns schon gedanklich davon irgendwie in die Nähe der nächst größeren Stadt zu kommen. Mit der Route dreht sich dann aber auch der Wind und plötzlich genießen wir traumhaften Rückenwind, der uns über die nächsten Bergketten auf rund 1000 meter über Null kurz vor Mashad trägt. Endlich ist das Wetter auch wieder erträglicher. Auf der Suche nach einem Hotel um uns ein bis zwei Tage etwas Erholung zu gönnen werden wir von Mohammed angesprochen. Eines der besten Beispiele für die Gastfreundschaft in diesem Teil der Welt. Mohammed ist eigentlich selbst afghanischer Flüchtling, seine Eltern sind damals aus Afghanistan geflüchtet, Mohammed wurde im Iran geboren, dennoch geniessen sie hier im Iran keinerlei Rechte. Ein ganzes Stadtviertel bestehend aus Afghanen wird zwar geduldet, jedoch auch nicht mehr. Ihnen ist es offiziell sogar verboten zu arbeiten oder gar die Stadt zu verlassen. In einer kleinen dunklen Wohnung, bestehend aus einem Ess- und Wohnzimmer und einem kleinen Zimmer in dem gerade so ein Doppelbett Platz hat, wohnt Mohammed mit Frau und seiner kleinen Tochter. Er lässt es sich aber nicht nehmen uns Fremde zu sich nachhause einzuladen, auch lässt er es sich nicht nehmen gleich für zwei Nächte seine Wohnung zu räumen und uns zu überlassen. Wir verbringen zwei unglaublich nette und lehrreiche Tage mit ihm und seiner kleinen Familie. Essen traditionelle afganisch-iranische Speisen die die Beiden uns mit Stolz selbst zubereiten und erkunden mit lokaler Begleitung die angrenzenden Stadtviertel. Und verlassen tief beeindruckt und mit einem wirklich guten neuen Freund in Herzen, ein paar Tage später die Stadt. Sein Schicksal, seine Geschichten und seine unkomplizierte und bedingungslose Gastfreundschaft werden uns für immer im Kopf bleiben.
Tief beeindruckt auch wegen des 'Imam Reza Shrine', einem Gebäudekomplex, der das Mausoleum von Imam ar-Rida enthält, dem achten Imam der Zwölfer-Schia. Es beherbergt des Weiteren die Goharschad-Moschee, ein Museum, eine Bibliothek, vier Seminare, einen Friedhof, die Razavi-Universität für islamische Wissenschaften, einen Speisesaal für Pilger, große Gebetshallen, sowie weitere Gebäude. Der Komplex bildet das Zentrum des einheimischen Pilgertourismus im Iran und wird jährlich von 15 bis 20 Millionen Gläubigen besucht. Auch hier wurde uns die iranische Gastfreundschaft gleich zu teil. Gleich am Eingang werden wir abgefangen und uns ein englisch sprechender Führer zu geteilt. Nachdem er uns geholfen hat unsere Fahrräder sicher zu parken führt er uns durch die Hallen und wir kommen aus dem Staunen gar nicht mehr heraus. Das Ausmaß der Anlage ist nicht in Worte zu fassen noch weniger die ganzen Mosaike an den Wänden und die vielen handgefertigten persischen Gebetsteppiche auf dem Boden. Eine ganz andere Welt für uns und unglaublich interessant, aber auch ein wenig einschüchternd.
Steinig, sandig und heiß präsentiert sich unser nächster Abschnitt von Maschad bis nach Teheran. Wellig geht es mit wechselnden Gegen- und Rückenwind bewegen wir uns durch die wüstenartige Landschaft. Es liegt viel Staub in der Luft so ist die Sicht auf die umliegenden mineralfarbenen Bergketten nicht die allerbeste. Wir fahren durch verschiedene kleine Stätte und Dörfer, jedes hat dabei seinen eigenen Scharm und vor allem auch sein eigenes Thema. Einmal werden hauptsächlich Melonen angebaut im nächsten Weintrauben, Pistazien oder ähnliches. Ein jeder Ort also mit einer eigenen Spezialität. Auf unserem Weg entlang des Highways werden wir jeden Tag mindestens ein bis zweimal aufgehalten und mit genau diesen Spezialitäten überschwänglich beschenkt, überall werden wir zum Tee und zum Essen eingeladen, so dass wir irgendwann aufhören müssen uns selbst Essen zu kaufen da unsere Taschen eh schon randvoll sind.
Jede einzelne dieser vielen Begegnungen mit den Einheimischen lässt uns sprachlos zurück. Sprachlos vor so viel Gastfreundschaft und entgegengebrachtem Interesse. Ganz oft hören wir, dass wir zu Hause und in der ganzen Welt berichten sollen, wie Iraner wirklich sind. Ganz offensichtlich sind sie sich der negativen Berichterstattung über ihr Land in den westlichen Medien bewusst. Diese mag vielleicht auf die Regierung im Land zutreffen, aber wenn es um die Iraner selbst geht, so könnte diese kein unzutreffenderes Bild zeichnen. Und mit Freude erzählen wir jedem der es hören möchte, wie großartig die Menschen in diesem Land sind.
Mehr dazu im zweiten Teil unseres Blogs zum Iran, seid gespannt.
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