Mit dem Fahrrad von Duschanbe, Tajikistan bis nach Samarkand in Usbekistan und zur Grenze nach Turkmenistan. Bunte Mosaike, bezaubernde Moscheen, nette Menschen, unzählige Melonen und viel Wind begleiteten uns auf dem Weg, durch das flache Land. Wir klettern über unseren vorerst letzten hohen Pass auf über 3300m voll Motivation und guter Hoffnung und setzen nur zwei Tage später unserer Krankheitsgeschichte auf dieser Reise endgültig die Krone auf. (geschrieben von Jelena)
Die Sonne scheint, es ist angenehm warm und das blaue Meer liegt vor unseren Augen. Der Wind weht uns mit einer leichten herbstlichen Brise um die Nase. Schon wieder oder eher immer noch haben wir Glück mit dem Wetter. Entspannt sitzen wir am Ufer des schwarzen Meers in der Türkei, genießen die Ruhe und die entspannten Tage, die wir so bitter nötig haben nach den letzten Wochen. Ein klein wenig Urlaub vom Urlaub. Und endlich finden wir die Zeit diese Zeilen zu schreiben. Knapp 5000 km, die wir mit insgesamt nur zwei echten „Ruhetagen“ und einem Schnitt von 100 bis 150km pro Tag. Vier neue Länder und rund zwei Monate liegen zwischen Duschanbe in Tajikistan und uns. Unsere Beine und vor allem unser Kopf brauchen eine Pause.
Vor gut zwei Monaten sind wir aufgebrochen, mit der Hoffnung und der Freude auf ein paar entspannte und ruhigere Kilometer auf einer neuen Etappe unserer Reise. Hinter uns liegen zu diesem Zeitpunkt die letzten Monate, die geprägt waren von unseren Krankheiten und den unzähligen Höhenmetern in den abgelegenen Bergregionen, die an unseren Körpern und vor allem in unseren Köpfen ihre Spuren hinterlassen haben. Mit Zuversicht auf ein paar einfachere Kilometer, in jeglicher Hinsicht, brachen wir auf. Nie hätten wir damit gerechnet, dass es schon nach zwei Tagen vorbei sein sollte mit dieser Zuversicht.
Müde sitzen wir am Fluss und kochen uns einen Kaffee, die Nacht haben wir auf dem Grünstreifen vor dem Flughafen verbracht um Mircos Papa in die Heimat zu verabschieden. Die meisten Flüge heben in Duschanbe Nachts ab, so ist tagsüber die Halle des internationalen Flughafens fast menschenleer, nachts dagegen herrscht hier reges Treiben. Unsere erste Etappe führt uns auf gut geteerter Straße entlang des Highways wieder hinauf in die Berge. Wegen der unzähligen gefährlichen Tunnel entlang der Hautstraße, haben wir entschieden, uns ein letztes mal über die abgelegen Schotterwege über einen der hohen Pässe zu quälen. Wir werden mit traumhaften Landschaften und netten Menschen belohnt. Am zweiten Tag passieren wir den 3300 Meter hohen Pass und rollen glücklich und mit Vorfreude auf die kommenden einfachen und immer flacher werdenden Kilometer den steilen holprigen Pass hinunter. Es ist schon spät als wir in einen der kleinen abgelegen Dörfer noch einen Laden finden und uns freuen noch ein paar Karotten, Brot und ein paar süße Gebäckstücke kaufen zu können. Schon seit Monaten kochen wir unser Essen selbst, waschen und putzen Geschirr, Hände und unsere Lebensmittel höchst penibel. Jeden Tropfen Wasser filtern wir. Kein Obst essen wir ungeschält, kein Gemüse roh. Zu oft haben wir in diesen Ländern hier schlechte Erfahrungen gemacht. Wir wollen einfach kein Risiko mehr eingehen. Auch an diesem Abend koche ich das Abendessen aus Reis, Zwiebeln und den paar Karotten, während Mirco neben dem tiefblauen Fluss unser Zelt für die Nacht aufbaut. Bis das Essen fertig ist knabbern wir beide an dem gekauften Weissbrot und den süßen Teilen. Kaum fertig gekocht meint Mirco er hat eigentlich gar nicht so richtig Hunger und das obwohl er die ganze Zeit schon gejammert hatte er verhungere bald. Wir essen trotzdem auf und legen uns müde ins Zelt. Es dauert nicht lange und mir ist plötzlich bitter kalt, auch Mirco fängt an zu zittern. Komisch, denn so kalt ist es eigentlich gar nicht. Immer mehr scheint uns die Kälte einzuholen und wir ziehen beide sämtliche Klamotten an, die wir dabei haben. Stunde um Stunde liegen wir im Zelt und weder Daunenjacken noch Schlafsack hilfen uns warm zu werden. Stattdessen zittern wir immer mehr. Wir bekommen Schüttelfrost. Spätestens jetzt ist uns klar, da stimmt doch etwas nicht. Nach ein paar Stunden bekomme ich Durchfall. Die ganze Nacht winden und wälzen wir uns mit heftigem Schüttelfrost im Zelt herum. Wir bekommen die ganze Nacht kein Auge zu, stattdessen hechten wir alle paar Stunden aus dem Zelt ins Gebüsch. Den ganzen darauffolgenden Tag liegen wir völlig fertig im Zelt, bewegen uns nur, wenn uns der Durchfall, der mittlerweile nur noch aus Wasser besteht, heraus treibt. Unzählige Male verlassen wir fluchtartig das Zelt, reden jedoch sonst kaum ein Wort mit einander, zu kaputt sind wir beide. Zwei Tage liegen wir fast regungslos an Ort und Stelle, weit weg von Allem inmitten der Berge, bis wir am dritten Tag so langsam anfangen zumindest wieder ein paar Bissen zu uns zu nehmen. Am vierten Tag beschließen wir langsam weiter zu rollen, denn unsere spärlichen Vorräte gehen zu Ende. Müde und kraftlos kurbeln wir ca. 30 km den Schotterweg entlang zur nächsten Hauptstraße und dem nächstgelegenen Dorf mit Einkaufsmöglichkeit. Ein Glück, dass wir den Pass schon hinter uns gelassen hatten und überwiegend flach und bergab dahinrollen können.
Uns geht es langsam wieder etwas besser. Wir brauchen zwei weitere Tage bis zur Grenze zu Usbekistan, trotz bester Bedingungen. Auch Rückenwind, gut geteerte Straßen und vor allem kilometerlangen Abfahrten, helfen uns nicht und so schaffen wir nicht mehr als 50 km am Tag. Zu müde und kraftlos sind wir immer noch. So langsam fangen wir an alles zu verfluchen. Mit so viel Zuversicht auf Besserung und dem Wunsch einfach einmal wieder sorglos und entspannt reisen zu können sind wir vor wenigen Tagen aufgebrochen und dann so etwas. So schlecht wie in diesen Tagen ist es uns vermutlich im ganzen Leben, auch unabhängig von unserer Reise noch nicht gegangen. Eine wirklich heftige Lebensmittelvergiftung hatte uns erwischt, da sind wir uns sicher. Was genau diese ausgelöst hatte, können wir uns bis heute aber nicht wirklich erklären. Irgendwie wird unser Durchhaltevermögen seit Monaten schon immer wieder aufs Neue getestet. Aber langsam haben wir die Schnauze gestrichen voll.
Der Grenzübergang nach Usbekistan gestaltet sich für uns dagegen sehr einfach. Pass vorzeigen, Gepäck scannen und wir sind in einem neuen Land. Länger hat es gedauert als wir gedacht hatten hierher zu kommen, aber wir haben es doch geschafft. Mit der Grenze lassen wir auch die Berge und letzten Hügel hinter uns. Die wenigen Kilometer nach Samarkand gehen wir gemütlich an, um danach fit und munter endlich mal wieder ein bisschen Strecke machen zu können. In der Stadt wollen wir erst einmal Geld wechseln, was sich schwieriger gestaltet als gedacht. Erst nach mehreren Anläufen finden wir eine Bank die uns weiterhilft.
Samarkand, die wohl berühmteste Stadt Usbekistans mit seiner weit zurück reichenden Geschichte bietet vielerlei alte geschichtsträchtige Bauten. Sie war eine zentrale Anlaufstelle auf der Seidenstraße zwischen China und dem Westen und wurde 2001 zur Liste der UNSECO Weltkulturerbe hinzugefügt. Den Nachmittag verbringen wir damit uns eines der berühmtesten Gebäude Ensembles, den ‚Registan‘ anzuschauen. Abwechselnd gehen wir durch die bunten Gebäude, während der andere auf die Räder aufpasst und dabei die vielen vorbeilaufenden Brautpaare beobachten kann. Eine wirklich beeindruckende Architektur mit traumhaften Fliesenmustern und Farben können wir bestaunen und verlassen am späten Nachmittag mit ganz neuen und tiefgehenden Eindrücken die Stadt. Auf unserem Weg aus der Stadt werden wir noch von einem Auto aufgehalten. Ein Mann streckt uns grinsend eines der traditionellen Fladenbrote entgegen, ohne die hier niemand die Stadt zu verlassen scheint. Die Brote aus Samarkand sollen angeblich besonders gut schmecken und sich bis zu drei Jahre frisch halten können. Laut einer Legende hatte vor vielen Jahrhunderten ein König versucht eben diese Brote auch außerhalb der Stadt backen zu lassen und dafür extra den besten Bäcker von Samarkand bringen lassen. Dieser hatte alles erdenkliche versucht, mit gleichem Rezept und den gleichen Utensilien das Brot zu kopieren, scheiterte aber letztlich. Und so sind die Brote aus Samarkand bis heute im ganzen Land berühmt.
Rund 100 km legen wir nun jeden Tag zurück. Durch die flache trockene Ebene Usbekistans wollen wir so schnell es geht vorwärts kommen. Ab und zu ein Kamel in der Ferne, Baumwollfelder zwischen anderen landwirtschaftlich genutzten Flächen und unzählige Melonen. Kein landschaftliches Highlight, dazu kommt starker (Gegen-)Wind. Wie in allen muslimischen Ländern, die wir bisher kennenlernen durften, sind die Menschen hier auch wieder sehr gastfreundlich und so bekommen wir immer wieder Geschenke gereicht, die uns alles etwas erträglicher machen. Nach rund 300 km und drei Tagen gelangen wir nach Bukhara. Wir tauschen den Rest unseres Geldes zurück, wofür wir wieder unzählige Banken fragen müssen. Drei Banken verweigern uns Dollars aus zu bezahlen bis wir endlich jemanden finden der uns weiterhilft. Wir schauen uns noch einige alte und sehr beeindruckende Bauten an, bevor wir uns auf die letzten 100 km zur Grenze nach Turkmenistan machen.
Es war ein kurzes Besuch in diesem Land, nach schon einer Woche verlassen wir es wieder. Aber nicht ohne das uns dessen Gastfreundschaft noch einmal vor Auge geführt wird. Rund 20 km vor dem Grenzübergang schlagen wir ein letztes mal das Zelt auf, um am nächsten Morgen früh und schnell in das berüchtigte Turkmenistan einreisen zu können, an einem kleinem Flusslauf direkt neben riesigen Melonenfeldern. Die Menschen um uns herum arbeiten noch fleißig auf ihren Feldern und beobachten die ungewohnten Besucher. Es dauert nicht lange und wir bekommen zwei riesige Melonen in die Hände gedrückt. Kurz zuvor erst wollten wir eine große Wassermelone am Straßenrand kaufen und der Verkäufer überredete uns diese noch vor Ort zu essen. Bezahlen durften wir danach allerdings nicht, stattdessen haben wir noch eine saftige Melone umsonst dazu bekommen.
Usbekistan hat uns zwar nicht mit landschaftlichen Highlights beeindruckt, dafür aber umso mehr mit einer weitreichenden Gastfreundschaft und beeindruckenden Bauwerken. Wir sind wieder mit einem guten Gefühl und Vorfreude, vor allem auf den Iran, unterwegs. Mit ein klein wenig Nervosität im Hinterkopf nähern wir uns am nächsten Morgen der Turkmenischen Grenze. Zu viele negative Erzählungen, vor allem im Hinblick auf Visa und Grenzübergänge haben wir schon von anderen Reisenden über das folgende Land gehört. Nicht zu unrecht, wie wir nur wenige Stunden später erfahren müssen.
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